Arbeitskreis Historie Kappel- Grafenhausen
Arbeitskreis HistorieKappel- Grafenhausen

Der Hochwasserumleitungskanal

 

Planung und Bau des Hochwasserumleitungskanals sowie die Entwässerung des Gewanns Oberau (1909 – 1934)

 

Nicht nur der Wasserstand des Rheins, sondern auch der Wasserstand der Elz spielten in der Ge-schichte des Dorfes immer wieder eine entscheidende Rolle. Hochwasser und Überschwemmungen vernichteten nicht nur fruchtbares Ackerland, sondern bedrohten immer wieder die Bewohner des Dorfes und zerstörten deren Haus und Eigentum. Da die Elz mitten durch das Dorf fließt, musste gerade dieser Wasserstand immer wieder kontrolliert und geregelt werden. Dabei zu berücksichtigen waren auch die damals noch unkontrollierten Zuflüsse der „Bleich" und des „Ettenbachs", die oberhalb von Kappel in die Elz fließen und bei starkem Gewitterregen im Bleich- oder Münstertal zu starken Anschwellungen der Elz führten. Im Sommer wurde aber der Abfluss des Wassers in das Rheinvorland durch die teils hohen Sommerwasserstände ungünstig beeinflusst. Die Folge dieser Verhältnisse waren häufige Überschwemmungen der anstehenden Wiesen und Äcker auf den Gemarkungen Rust und Kappel.

Deshalb wurde auf der Gemarkung Kappel in den 1860er Jahren durch Bürgermeister Richter ge-genüber der Einmündung des Ettenbaches ein Entlastungsgraben (Richter‘sche Graben) nach dem Unterlauf der alten Elz unterhalb des Dorfes angelegt, um so die überschüssigen Wassermen-gen um das Dorf zu leiten.

In Rust wurde unterhalb der Ruster Mühle im von Böcklinschen Park ein „Überfall" (Wehr) mit Zu-laufgraben nach der „Blinden Elz" angelegt, um dort die überschüssigen Wassermengen der „Alten Elz" um das Dorf herum in das Rheinvorland abzu-leiten. Dem gleichen Zweck dient auch eine im Dorf angelegte Ablassschleuse nach dem Rheingießen, einem Zulauf der „Blinden Elz".

Nachdem in den Jahren 1908, 1909 und 1910 die Wiesen und Ackerflächen entlang der Elz auf den Gemarkungen Rust und Kappel immer wieder un-ter Wasser standen und ...die Wiesen mangels Ab-fluss leiden.., fand am 26. März 1909 im Rathaus zu Rust ein erstes Treffen der betroffenen Grund-stückseigentümer statt, um "die Regulierung des Wasserstandes der alten Elz" neu festzulegen. Dies war der Planungsbeginn zum Bau des Hochwasserumleitungskanals, bis zu dessen Fertigstellung aber 25 Jahre vergingen.

 

Streichwehr mit Einlassschleussen Foto: C.Leser

Dazu Auszüge aus den Gemeindeprotokollen

von 1909 – 1934.

 

Protokoll vom 26. März 1909:

Zu diesem Treffen erschienen:

1.) der Grossh. Amtsvorstand von Emmendingen, Oberamtmann Kiefer

2.) Baurat Lubberger, Freiburg

3.) Oberbauinspektor Keller, Emmendingen

4.) Die Beschwerdeführer:

Freiherr Ruprecht von Böcklin in Rust

Ziegler Landolin Moog, Rust

5.) Die Bürgermeister: Utz aus Rust und Hilß aus Kappel

Desweitern erschienen Müller Faisst von Kappel für die Firma MEZ, Müller Heinrich Herr in Rust, Verwalter Hahn von Rust, für die Überlandzentrale in Oberhausen Direktor Kanneberg.

Die Landwirte: Johann Benz alt, Stefan Benz, Franz Josef Benz, Wilhelm August Stumpp, Albert Koelble, alle aus Kappel.

Die Landwirte: Josef Baumann, Karl Sattler, Josef Hauer, Emil Ohnemus, Franz Schlenk, Adolf Scherer, alle aus Rust.

Dazu der Amtsvorstand aus Ettenheim Oberamtmann Dr. V. Pfaff.

Beschwerde und Anhörung der Landwirte (hier auszugsweise wiedergegeben):….früher seien Über-schwemmungen selten gewesen, seit Bestehen des Elektrizitätswerkes seien sie häufiger. Besonders im „Kühläger" auf dem Eigentum des Herrn von Böcklin unten am „Herrschen Anwesen" zwischen Dorf und Junkerbach, seien oft Überschwemmungen eingetreten. Auf der „Blaumatt" seien 9-10 ar unter Wasser gestanden, im Winter sei dies zweimal, im Sommer etwa 10-mal der Fall gewesen….

Landwirt Karl Sattler erwähnt die Beschädigungen an Bäumen, Graswuchs etc." das Futter sei verdorben". Der Bürgermeister von Rust erklärt:…die Schleuse unten im Orte Rust wurde sehr unregelmäßig gezogen. Der Graben sollte geputzt werden, dann liefe das Wasser weg. Der Schleusenwärter bediene die Schleuse nicht richtig, er habe den Wart verwarnt….

Dr. V. Pfaff erklärt:….er habe vorgeschlagen, in Kappel einen bestehenden Überlauf (Richtersche Graben) auf der linken Seite des Baches oberhalb des Dorfes zu erweitern. Die Gemeinde sei damit einverstanden, es sei zu berücksichtigen, dass dieser Überlauf auch für die Ableitung der etwaigen zu großen Wassermengen diese, welche aus der Bleich und aus dem Ettenbach kämen, zwei Zuflüsse, welche erst nach der Riegeler Schleuse in die alte Elz gelangten, wenn dann eine Ausräumung der blinden Elz erfolgen würde, wäre für Kappel die Gefahr der Überschwemmung in hohem Masse geholfen…..

In einer weiteren Besprechung am 15. Juli 1903 wurde dem Wunsch von Herrn Kanneberg (Überlandzentrale Oberhausen) über die Zulieferung von mehr Wasser ….wie dies auch in letzten Jahren der Fall gewesen sei…, durch Herrn Oberbauinspektor Keller nachgekommen. Bei einem Besichti-gungstermin am Überlauf auf dem Besitztum des Herrn von Böcklin erklärte aber Müller Faisst,....dass er als Vertreter der Firma Mez und Söhne, niemals seine Zustimmung zu einer Verbreiterung geben werde, da hierdurch viel Wasser dem Werke in Kappel entzogen werde….

Notiz der Firma Carl Mez an Müller Franz Faisst, Kappel(ohne Datum):…..haben Sie in der Sache der Genossenschaftsbildung für die Elz nichts mehr weiter gehört, Sie sollten da keine Gelegenheit unbe-nützt vorüber gehen lassen, um den Leuten zu sagen, dass auf die Dauer diese Übelstände nie aufhören, wenn nicht gründlich für Abhilfe gesorgt werde und für gründlich Abhilfe könne auch nur eine Genossenschaft sorgen…..

In einem Schreiben der Großherzoglichen Kultur-Inspektion Freiburg vom 4.Mai 1911 an den Ge-meinderat in Kappel wird erstmalig der Neubau eines Hochwasserumleitungskanals vorgeschlagen, unter der Berücksichtigung, den derzeitig bestehenden Kanal (Richter‘sche Graben) bestehen zu lassen, …so wie er ist. Die Erfahrung, welche man in den letzten Jahren gemacht hat, haben ergeben, daß ein Streichwehr bei dem jetzigen Ablaß oberhalb Kappel nur dann seinen Zweck erfüllt, wenn der

von dort ausgehende Kanal ganz erheblich weiter gemacht oder ein neuer dazu erstellt würde….Nun könnte man den jetzigen Kanal erweitern. Wir glauben aber diesen zu belassen, wie er ist, und durch die Hanfreezen und den alten Hinterbach einen Ablauf herzustellen….

Im März 1913 wurde dem Gemeindrat von Kappel mit dem Schreiben vom Grossh. Bezirksamt Ettenheim der Kostenvoranschlag und die Genehmigung des „ausgearbeiteten Projekts vom Jahr 1912/13…" mitgeteilt. Errechnet wurde ein Gesamtkostenbetrag von 80.000 Mark.

Vorgeschlagene Aufteilung der Kosten:

a) Gemarkungsgemeinde Kappel: 10.600 M

b) Gemarkungsgemeinde Rust: 3.250 M

c) Besitzer der Wassertriebswerke: 53.350 M

(davon Kappler Mühle = 6.590 M)

d) Wässerungsgenossenschaften:

8.250+4.100+450 = 12.800 M

- Unterelzwässerungsgenossenschaft Ringsheim

- Oberelzwässerungsgenossenschaft Kenzingen

- Pfadackergenossenschaft Oberhausen

Die Gemeinde Kappel stimmte dem vorgeschlagenen Entwurf zu, dagegen wurde dieser von der Gemeinde Rust abgelehnt. Dies führte zu dem Ergebnis, dass die Gesamtausführung auf beiden Gemarkungen unterblieb. Der folgende 1. Weltkrieg verhinderte weiter die Umsetzung des Bauvorhabens, was zur Folge hatte, dass der gesamte Elzlauf zuwuchs und verwahrloste.

Im Jahre 1923 wurde, als Notstandsarbeit deklariert, der Elzabschnitt zwischen Riegel und Kenzingen erweitert und instandgesetzt. Immer dringlicher hingegen wurde der Elzabschnitt Rust/Kappel. Dazu erging ein Schreiben der Gemeinde Kappel (Mai 1923) an die Bad. Wasser- und Straßenbaudirektion Karlsruhe:…Der Bürgerausschuß Kappel hat dem Beschluß des Gemeinderats, die Verbesserung der alten Elz nach dem Entwurf des Kulrurbauamts Freiburg vom Jahre 1911 zur Durchführung zu bringen zugestimmt und zwar ist vorgesehen, in diesem Jahre die Arbeiten an der alten Elz und anschließend im zweiten Bauabschnitt die Hochwasserableitung durch Anlage eines neuen Flutkanals zur Ausführung zu bringen…

Übersichtsplan vom Mai 1912

Im Jahre 1925 entschloss sich die Gemeinde Rust die erforderlichen Erweiterungs- und die erforderlichen Regulierungsmaßnahmen auf ihrer Gemarkung vorzunehmen. Im Winter 1926/27 folgte die Regulierung der Blinden Elz, deren Lauf völlig verwahrlost war. Auch der Rheingießen wurde damals wieder instandgesetzt und an seinem Abgang ein Streichwehr angelegt. Damit waren die Anforde-rungen des Regulierungsentwurfs vom Jahre 1912 erfüllt. Jetzt galt es die erforderlichen Verbesse-rungen auch auf der Gemarkung Kappel durchzuführen. Von großem Einfluss ist der Rückstau der Kappeler Mühle, der sich bis weit in die Gemarkung Rust bemerkbar machte. Die Leerlaufschleuse war bei auftretendem Hochwasser einfach zu klein und gestattete nur einen geringen Durchfluss, zumal ein Streichwehr an der Mühle fehlte. Daraufhin wurde Im Jahre 1927 die Leerlaufanlage der Kappeler Mühle neu erstellt, um die berechnete Wassermenge von 12 bis 15cbm/Sek. durchzulassen. Diese Leistungsfähigkeit ist aber nur gewährleistet, wenn der Unterlauf von Wasserpflanzen, Kies- und Schlammbänken befreit ist. Für die Regel gilt, größere Wassermengen als 10 bis 11 cbm/Sek überschwemmen die Hausgärten innerhalb des Dorfes. Um größere Wassermengen ableiten zu können, wurde auf den Regulierungsentwurf vom Jahre 1912 zurückgegriffen.

 

Bau der Turbinenanlage und Verbreiterung des Leerlaufs im Jahre 1927

Im September 1932 erging ein Schreiben der Gemeinde Kappel an das Arbeitsamt Lahr mit Anfrage der Gemeinde, die Erstellung des Hochwasserkanals und der Streichwehranlage als öffentliche Not-standsarbeit im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms der Reichsregierung durchzuführen.

Punkt 1) des Schreibens:..den Rheindamm auf der rechten (badischen) Seite auf gleiches Niveau wie auf der franz. Seite (linksrheinisch) auszubauen.

Begründung: …die Verstärkung wurde u.E. grundsätzlich wegen der Hochwassergefahr durchgeführt, wenngleich auch die strategischen Beweggründe der Franzosen bei dieser Arbeit in Frage zu ziehen sind. Tatsache ist es, daß bei Eintritt eines größeren Hochwassers und eines damit verbundenen Dammbruchs sich die Fluten nicht nach dem Elsaß, sondern nach Baden ergießen werden. Die Ge-meinde Kappel erlebte vor einigen Jahrzehnten durch Hochwasser, hervorgerufen durch Dammbruch, eine furchtbare Katastrophe und in Erinnerung der Folgen dieser Katastrophe halten wir uns verpflichtet, dahin zu wirken, wenn immer möglich, den Rheinschutzdamm auf badischer Seite in gleichem Maße, wie der auf elsäßischer Seite verstärkt zu wissen….

Punkt 2):..die Regulierung des Wasserlaufs der Elz ist ein Bedürfnis geworden. Große Teile der Gemarkung sind durch die Hochwasser der Elz versumpft, sind heute wertloses Gelände. Die Gemeinde selbst war bis dahin nie in der Lage, die Arbeiten gemäß dem Entwurf des Kulturbauamts Freiburg durchzuführen, da hierzu die nötigen Mittel fehlen…und stellen wir Antrag und bitten, diese Arbeiten evtl. im Wege des Freiwilligen Arbeitsdienstes zu erledigen…

In Punkt 3 und Punkt 4 wird auf die schlechte Qualität des versumpften Wiesengeländes hingewiesen und ergeht der Hinweis:…bei einem Umbau der Wässerungsanlage werden wertvolle Liegenschaften geschaffen, die der Allgemeinheit zu Nutzen wären".

Am 12. Februar 1933 wurde eine Bürgerversammlung einberufen und über die Ausführung des geplanten Kanals abgestimmt, „…die Verhältnisse für Einrichtung des Umleitungskanals werden nie mehr so günstig werden, wie sie z.Zt. sind….". Vorgetragen wurden die Wasserverhältnisse der Elz in den Vor-kriegsjahren und heute, sodann wurde auf die Zweckdienlichkeit der Errichtung des Hochwasserum-leitungskanals hingewiesen:…Die großen Wiesengelände Oberau, Oberritti, Kandelmatt, Stubenlehners Matt, können der vollkommenen Versumpfung nur entrissen werden, wenn es gelinget, den Wasserstand der Elz auf dem festgelegten Eich zu halten… Nach weiteren ausführlichen technischen Erläuterungen schritt man unter den anwesenden Gemeindeanwohnern zu einer namentlichen Ab-stimmung. Hierbei stimmten von den 180 anwesenden nur 10 gegen die Ausführung des Kanals, 170 waren dafür. Im Anschluss an diese Gemeindeversammlung beschloss der Gemeinderat alsbald mit der Ausführung des Kanals zu beginnen. Im März 1933 wurden vom Kulturbauamt für die Gemeinde Kostenberechnungen erstellt, welcher Weg für die Ausführung der Arbeiten der günstigere sei.

Plan des Hochwasserabzugsgraben durch die Hanfreezen von 1932

Bei der Ausführung des Kanals als „Notstandsarbeit" bliebe der Gemeinde ein Restbetrag von 1.134 RM, bei der Ausführung als „Freiwilliger Arbeitsdienst" wären von der Gemeinde 9.500 RM aufzubringen. Deshalb beschloss man die Ausführung als „Notstandsarbeit" durchzuführen. Die Gesamtkosten wurden auf 36.000 RM veranschlagt, die Gesamtherstellungskosten beliefen sich aber nach Fertigstellung auf 60.173,52 RM (Schreiben v. 9.Juli 1934). Die Kosten beinhalteten Herstellung der …Ablasschleusen und Wässerungsschleussen beim Abfallwehr am Badehäusle, Erstellung der Brücke bei den Hanfrezen, Erstellung einer Feldwegbrücke aus Eisenbeton (Wittle-Brücke) sowie Entschädigungszahlungen für das …entfernen von verschiedenen Obstbäumen in der Nachtweid, entlang des Hochwasserumleitungskanals… Die Vergabe zur Herstellung der Brücken erfolgte im August und No-vember 1933. Die entstandenen Mehrkosten mussten größtenteils von der Gemeinde „aufgenommen" werden. Begründung der Mehrkosten:.…die Ausführung der Arbeiten brachte jedoch sehr viele nicht vorgesehene Nebenarbeiten mit sich, auch blieben die vorgesehene Arbeitsleistung der Not-standsarbeiter sehr zurück… Die Arbeiten am Hochwasserentlastungskanal begannen im April 1933, beendet wurden die Arbeiten Anfang des Jahres 1934. Während der Arbeiten waren 17 Arbeiter aus Kappel und genauso viele Arbeiter aus den umliegenden Gemeinden als „Notstandsarbeiter" beschäftigt.

Planausschnitt vom November 1933

9. Oktober 1933, Gesuch der Notstandsarbeiter um Lohnerhöhung, hier unveränderte Wiedergabe:

 

Kappel/a.Rhein, den 9. Oktober 1933

Titl. Gemeinderat, Kappel/a.Rh.

 

Betr. Gesuch der Notstandsarbeiter der Gemeinde Kappel um Lohnerhöhung betr.

 

Die Belegschaft der beim Kappeler Hochwasserumleitungskanalbau bittet in bitterer Not und Dürftigkeit um gerechte Erhöhung ihrer Löhne. Als Wochenlohn erhalten wir abzüglich der Versicherungsbeiträge RM 13,43, wovon allein pro Woche für Haushalt RM 5,- abgehen, mithin nur noch RM 8,43 zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehen. Mit diesem geringen Lohn sollen wir den Lebensunterhalt unserer zum Teil vielköpfigen Familien ernähren, und daneben uns selbst arbeitsfähig erhalten. Eine solche harte Arbeit, wie wir in Kappel mit Pickel und Schaufel leisten, kann man um diesen Hungerlohn auf die Dauer unmöglich machen. Unser oberster Führer Adolf Hitler, mit welchem wir um das dritte Reich gekämpft und auch in Zukunft kämpfen wollen, tritt für Gerechtigkeit ein und soll in Deutschland kein Mensch mehr hungern. Dass wir Notstandsarbeiter hungern müssen, dürfte jedermann einsehen, der unseren geringen lohn kennt. Hierbei muss noch berücksichtigt werden, dass wir nebenbei keinerlei Landwirtschaft betreiben, sondern lediglich von diesem Verdienst leben müssen. Der Lohn reicht kaum für Milch und Brot aus, an eine Anschaffung oder genug Essen ist nicht zu denken. Viele Arbeiter geben sich schon seit Wochen mit einer Brotkruste und einer Flasche schwarzen Kaffee zu-frieden, um ihre Frau und Kinder zu Hause nicht hungern lassen zu müssen. Man hält uns vielleicht entgegen, die Notstandsarbeiter hätten ja nur 8 Stunden zu arbeiten, in Wirklichkeit jedoch sind wir aber 10-12 Stunden von zu Hause fort. Es sind Arbeiter unter uns, welche 10 Km zu Fuss zur Arbeitsstätte zurückzulegen haben. Dass unter solchen Umständen, bei solch harter Arbeit, der Arbeiter körperlich herunterkommen muss, dürfte Ihnen auch verständlich sein. Aber trotz dieser kärglichen Kost legen wir in diesen 8 Stunden eine Strecke von 800 – 1000 m mit den Rollkarten (mehrfach) zurück, was gewiss eine Leistung ist. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir wohl den ortsüblichen Taglohn der Gemeinde Kappel bezahlt bekommen, doch muss berücksichtigt werden, dass der Lebensunterhalt z.B. gerade in Ettenheim wesentlich höher zu stehen kommt, wie in Kappel.

Wir bitten den verehrl. Gemeinderat Kappel/a.Rh. den Lohn unsern Lebensverhältnissen anzupassen und bis zum kommenden Freitag (Zahltag) zu regeln, damit wir unseren Verpflichtungen als Familienväter doch einigermassen wieder nachkommen können und unser Leben zum Dienste für’s Vaterland erhalten bleibt. Wir haben uns in einem gleichen Schreiben an das Arbeitsamt gewandt und nehmen an, dass wir die Angelegenheit an die richtigen Instanzen vorgebracht haben.

                                                                                                                                                             Heil Hitler     

                                                                                                                                                             Die Belegschaft

 

 

Ob dem Gesuch der Notstandsarbeiter um Lohnerhöhung stattgegeben wurde, ist aus den weiteren Protokollen und Unterlagen nicht ersichtlich.

 

 

Die Entwässerung des Gewanns Oberau

 

Erläuterungsbericht vom November 1934

 

Auf der rechten Seite der alten Elz zwischen dieser und dem Ettenbach liegt das Gewann Oberau mit einer Fläche von rd. 25 ha. Die Wiesen dieses Gewanns leiden infolge mangelnden Abflusses der am Hochgestade austretenden Quellen unter stauender Nässe, zumal die alte Elz längs diese Gewanns durch die Kappeler Mühle hochangestaut ist. Durch die Ausführung des Hochwasserkanals ist die Möglichkeit zur Entwässerung dieses Gewanns gegeben, indem ein Abzugsgraben, dessen Fläche bereits seit langem ausgesteint ist, mitten durch das Gewann gezogen, mittel seiner Dükeranlage unter der Elz hindurch und in den tiefliegenden Hochwasserkanal eingeführt wird. Der Graben erhält eine Schlenbreite von 0,45 bis 0,40 m und eine mittlere Tiefe von 1 m. Sein Gefälle beträgt 1:1000. Die Dükeranlage unter der Elz wird aus Eisenbetonschleuderrohren, System Vianini, von 40cm Lichtweite hergestellt, der Ein- u. Auslauf aus betonierten Schächten. Die Entwässerung des Gewanns Oberau durch die vorgeschriebene Anlage bedeutet eine wesentliche Verbesserung der Wiesenkultur obigen Gewanns und vermag die Nachteile der tiefern Lage dieser Wiesen an der durch die Kappeler Mühle hochgestauten Elz wieder auszugleichen.

Plan der Dükeranlage vom Juni 1933

Mit der Ausführung des Hochwassererkanals und der Streichwehranlage sind die Erfordernisse des

Regulierungsentwurfs vom Jahre 1912, durch die geordneten Abflußverhältnisse in der alten Elz auf den Gemarkungen Rust und Kappel geschaffen werden sollen, im wesentlichen erfüllt und der Fluß kann damit bei geordneter Instandhaltung seine Aufgabe, den Wasserbetrieben und den großen Wasserungsanlagen auf seinem langen Lauf von Riegel bis Kappel das erforderliche Wasser zuzufüh-ren, wieder erfüllen, ohne daß den landwirtschaftlichen Grundstücken in der Rheinniederung Schaden zugefügt wird.

 

Gez. Bad. Kulturamt

Xxxxx

Gemeinderat Kappel a/Rh.

Andlauer

Löffler

 

Quellenverzeichnis: Gemeindearchiv Kappel-Grafenhausen, Ortsteil Kappel

Aktenzeichen XIX Heft 855, 1903-1935

 

Der im Jahre 1934 gebaute Hochwasserumleitungskanal, im Volksmund auch als „D’ Kanal am Badhisli" genannt, ist heute noch in voller Funktion und schützt das Dorf vor auftretendem Hochwasser. In den Flusslauf der beiden Flüsse Bleich und Ettenbach wurden in den vergangenen Jahren große Rückhaltebecken eingebaut, um so die überschüssigen Wassermassen bei starkem Gewitterregen im Bleich- oder Münstertal, kontrolliert in die Elz abfließen zu lassen.

 

Dezember 2016

Claus Leser

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